ist schwer zu lesen ... 
und gschludert hast auch wieder mal ...
tststststs ... :)

so der fett geschriebene Kommentar meiner Lektorin. In der letzten Folge ging's um philosophische Überlegungen zu den bisherigen Sex-Artikeln. Darüber zu schreiben, ist nicht einfach und so hatte ich noch in letzter Minute Sätze umgedreht und verändert. Es ist eine harte Nuß, Sex in die Philosophie zu bringen. Doch, wo sonst pulsiert Leben in solch intensiver Form, wo sonst vertieft ein Tun so sehr unser Leben. Wir geben mehr von uns preis und erfahren Tieferes vom Anderen. Beide lernen, sich und einander besser zu verstehen. Das Plaudern nach dem Sex ist weniger starr, fühlen und denken wird weicher.

 

Abendländische Philosophen sehen bei diesem lebenszentralen Thema konsequent weg  - erstaunlich oder Folgewirkungen von zweitausend Jahren christlicher Körperfeindlichkeit? Tstst - sie werde aussterben, die Philosophen! Vielleicht retten uns Philosophinnen. :-) 

 

Nicht Eva und Adam haben Sex erfunden - sondern Bakterien vor zwei Milliarden Jahren. Bakterien kooperieren und stimmen sich untereinander oft ab - wie heute so auch zu Urzeiten. Sie tauschten direkt Säfte aus, in denen sich ihre DNA-Baupläne befinden - wie jetzt auch noch. Diese Pläne werden sowohl zum Reparieren der eigenen Erbinformationen genutzt als auch zur Verbesserung. Das führt zum Fortschritt in evolutionärer Fitness und Schönheit: Ein verbessertes Modell ist da - zugreifen! Zugreifen, berühren, einander in der Tiefe spüren - eben Sex haben.

 

 

Kugelmenschen? 

 

Eine frühe philosophische Theorie der Liebe greift dieses uralte Muster der Verbesserung auf: Platon lässt während eines geselligen Zusammenseins (mit Wein, Gesang und vermutlich auch Weib) einen Erzähler von mythischen Kugelmenschen berichten, deren Leiber kugelförmig gewesen sein sollen, mit zwei Gesichtern, vier Händen und vier Füßen. Da Kugelmenschen aufgrund ihrer geometrisch vollkommenen Gestalt vor Kraft nur so strotzen, reiche ihnen die Erde nicht, sie wollen den Himmel erobern.

 

 

Da greift Zeus ein. Er zerteilte die Kugelmenschen in der Mitte. Halbiert sollen sie Tag und Nacht die verlorene Einheit suchen und nun ohne Arroganz ihre frühere Ganzheit schätzen. Um an dieser Vollkommenheit zu schnuppern, schafft Apollo zwei unterschiedliche Organe. Diese Organe passen gemäß dem Schlüssel-Schloss-Prinzip ineinander. So wird die alte Einheit für kurze Zeit realisiert. Überdies platziert Apollo die Organe an den Körpern der halbierten Wesen so, dass sie sich bei der Verinigung in die Augen sehen können.

 

Die Pointe der Geschichte ist offensichtlich: Wir zweibeinige Menschen sind Abkömmlinge halbierter Kugelmenschen. Voll erotischen Begehrens suchen wir unvollständige Wesen die andere Hälfte, um mit dieser - in glücklichen Momenten - zu einem besseren Ganzen zu verschmelzen. 

  

Reinhard Neumeier, Jänner 2014
(gekürzt und überarbeitet: Juni 2019)