Einzeller, Einzeller, Einzeller .... wohin das Auge blickt. Biologen sehen alles Lebendige als von Mikroorganismen beherrscht oder auf Einzeller als Elemente für Größeres rückführbar. Ob DNA-Analysen oder bakterielle Infektionen - Mikrobiologen befassen sich mit jenen kleinen, erst im Mikroskop sichtbaren Winzlingen, den frühen und heute uralten Erfindungen des Lebens.

Unsere gewohnte Welt besteht aus Menschen, Vögeln oder Hunden, aus Bäumen, Blumen oder Obst. Samstags gehen wir auf den Markt, kaufen Äpfel und scherzen miteinander. In dieser Welt leben wir. In der Welt der Mikroorganismen jedoch sind wir Menschen wandelnde Kolosse - Überriesen, deren jeder Schritt Minierdbeben erzeugt.

  

2 Domaenen und 3 Supergruppen/Reiche: ein Auszug

  

Biologen haben untersucht und gezählt. Sie sagen, wir bestehen aus Billionen miteinander lebenden Eukaryoten (als jenen Super-Einzellern, die einen Kern und eine innere Struktur besitzen, siehe auch Folge fünf dieser Serie). Diese Tatsache führt zur Frage: Wie haben es diese Mini-Lebewesen geschafft, sich zu solchen Riesenlebewesen wie Tieren, Pflanzen oder Pilzen zusammenzutun? Wie können Milliarden und Abermilliarden dieser schon ziemlich komplizierten und ehemals eigenständigen Super-Einzeller so gut zusammenleben?

 

Die einfacheren Mikrolebewesen, die Prokaryoten (Bakterien), bilden auch Mehrzeller. Diese Mehrzeller sehen mickrig aus - über wenig strukturierte Lebensformen wie Schleimpilze kommen sie nicht hinaus. Irgendwie scheint die Organisation der Prokaryoten nur begrenzt zu funktionieren. Besser klappt es bei Eukaryoten.

 

 

Eineiige Zwillinge


Wer jemals das intuitive gegenseitige Verstehen von Zwillingen erlebt hat, weiß, welch erlesene Zusammenarbeit durch ein gemeinsames genetisches Erbe entstehen kann. In der Schule werden die Aufgaben geteilt und manchmal legt einer für den anderen eine Prüfung ab.

Sie sehen einander ja zum Verwechseln ähnlich. Im Erwachsenenalter haben sie nicht selten Arbeitsplätze in der gleichen Branche, vielleicht sogar in derselben Firma, heiraten im selben Alter oder wohnen nur durch einen Stock getrennt im selben Haus.

 

Selbstverständlich empfindet sich jeder Zwilling als Unikat. Zwillinge driften aber aufgrund eines tendenziell doch unterschiedlichen Lebensweges und zunehmend unterschiedlicher epigenetischer Wirkmechanismen auseinander. Aber jeder Zwilling weiß ein sehr ähnlich fühlendes, denkendes und handelndes Selbst an seiner Seite. Beide fühlen sich gegenseitig gestärkt und unterstützt.

 

  

Uns Menschen gelingt es in der Regel nicht, längere Zeit harmonisch miteinander zu leben. Katholische und protestantische Armeen lieferten sich blutige Schlachten und verwüsteten Europa für Generationen. Im Nahen Osten bringen derzeit einander Sunniten und Schiiten ums Leben, trotz oder wegen des fast identischen islamischen Glaubens. Die menschliche Geschichte besteht zu großen Teilen aus leid- und todbringenden Kämpfen zwischen Stämmen, Städten, Staaten, Religionen, Imperien, Nationen, etc.

  

Wie haben die Eukaryoten es geschafft, im konstruktiven Verbund von Abermilliarden Zellen zu leben? Die Antwort: Mittels zweier genialer Schachzüge, der Arbeitsteilung und des Klonens.

 

Arbeit teilen, das machen wir Menschen auch. Unsere Gesellschaft und gegenwärtiges Wirtschaften beruht auf Teilung der Arbeit. Damit der Konsument Brot erhält, baut jemand Getreide an, ein andere mahlt, ein dritter macht Teiglinge daraus, bäckt vor und schickt die fast fertigen Brote und Weckerl an Supermarktfilialen, wo fertig gebacken wird. Jeder macht, was er am besten kann. Am Ende profitieren alle.


 

Der zweite Schachzug – das Klonen – ist das Schwierigere. Klonen heißt das Erzeugen genetisch identischer Zellen. Klonen bedeutet, Erbinformation zu kopieren. Klone entsprechen je nach Zahl eineiigen Zwillingen, Drillingen, Tausendlingen, Millionlingen, Milliardlingen und Billionlingen.

  

Wir billionenfache Klone starten einfach: als befruchtete Eizelle. Diese teilt sich. Jede Tochterzelle ist genetisch gesehen identisch mit der anderen. Der Vorgang des Klonens wird bei Eukaryoten genauest geregelt. Die Chromosomen*) im Zellkern werden verdoppelt. Zuerst teilt sich der Kern, wobei die verdoppelten Chromosomen einheitlich auf zwei Tochterkerne verteilt werden. Es folgt die Trennung der gesamten Zelle. Voilà, fertig sind zwei Klone mit identischer Erbinformation.

  

Die Tochterzellen teilen sich wieder und wieder und ….. Irgendwann kommt dann die Arbeitsteilung ins Spiel. Die Eukaryoten (ohnehin die Super-Zellen unter den Einzellern) spezialisieren sich. Sie werden zu Muskel-, Knochen-, Fett- oder Nervenzellen. Sie alle haben nach wie vor die gleiche Erbinformation. Deshalb verstehen die eng verwandten 'eineiigen' Zellen einander so gut. Auf dieser vereinheitlichten Basis gelingt uns Menschen, uns zellularen Überirdischen, ein Ich zu erzeugen.

  

Reinhard Neumeier, Oktober 2013

  

*) DNA + Proteine = Zellstrukturen, welche die Gene (Erbinformation) enthalten