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Künstliche Intelligenz kann Intelligenz ?

 

KI ahmt die Abläufe im Gehirn nach, daher seien die Ergebnisse so überzeugend – so die Hintergrundannahme der zahlreichen Veröffentlichungen, wenn über die zugrunde liegenden Algorithmen von KI geschrieben wird.

KI setzt auf neuronalen Netzen auf, also Nervenzellen, die miteinander in einem Netzwerk verbunden sind. Vieles jedoch wird in dieser oberflächlichen Sicht übersehen.

Die ursprüngliche Annahme, dass definierte Funktionen wie das Sehen oder Hören in spezifisch geschalteten Teilen dieses Netzwerks (des Gehirns) ablaufen, gilt schon lange nicht mehr.

Vermutlich ist das noch nicht bis zu den KI-Designern durchgedrungen. Sie setzen darauf, dass KI auf Basis von Chips, mathematischen Algorithmen und Trainingsdaten die biologische Vernetzung von Neuronen und spezifischen Gebieten simuliert. 

 

Der komplexe Aufbau des Gehirns

Das menschliche Gehirn funktioniert viel komplexer als ein Verbund von Neuronen. Unser Wissen über das Gehirn ist vergleichbar mit dem Zehntel eines Eisberges, der aus dem Wasser ragt. Wir kennen noch sehr wenig von den Vorgängen im Gehirn und stehen vor der schwierigsten wissenschaftlichen Frage überhaupt: Was ist Bewusstsein? Was wir bisher wissen, zeigt, dass die direkte Verbindung von Nervenzelle zu Nervenzelle nur einen Teil der Wahrheit darstellt.

 

Organoide als Forschungsinstrumente

Die biologische Gehirnforschung hat neue Wege eingeschlagen, um mehr darüber zu erfahren. Ein vielversprechender Ansatz ist die Verwendung von Organoiden (1), miniaturisierten Gehirnmodellen, die aus menschlichen Stammzellen gewonnen werden.
Diese organähnlichen Nervengebilde entwickeln sich selbstorganisierend und ermöglichen es den Forschern, die Bildung bestimmter Gehirnstrukturen und -funktionen zu beobachten.

Interessanterweise zeigen diese Miniatur-Gehirne eine drahtlose Verbindung zwischen Zellen, selbst über weit entfernte Areale hinweg. Dies geschieht durch oszillierende Schwingungen mit unterschiedlichen Amplituden.
Die drahtlosen Verbindungen in den Organoiden ähneln in gewisser Weise der Funktechnologie, die bereits seit über einem Jahrhundert bekannt ist und beispielsweise in Mobiltelefonen zum Einsatz kommt.

 

Die Rolle von Schwingungen und Frequenzen

Ein hilfreiches Bild zur Veranschaulichung dieses Phänomens ist die Vorstellung, dass verschiedene Bereiche von Nervenzellen in den Organoiden wie Instrumente eines Orchesters agieren. Sie synchronisieren sich gegenseitig über Feedback-Schleifen und übertragen Informationen.

Kommunikation könnte auf Kohärenz beruhen, also einem Zusammenhang, der den gleichen Sinn im Fokus hat (2). Diese Art eines präzisen und selektiven Informationsaustauschs ähnelt einer Art Bluetooth-Verbindung im Gehirn.

Eine Abbildung eines Querschnitts aus einem Gehirn-Organoid verdeutlicht die "funkverbundenen" Neuronencluster mit gleichen Amplituden.

 

 

 

Querschnitt-Karte von Neuronencluster mit gleichen Amplituden in einem dreidimensionalen Organoid eines Teilmodells des menschlichen Gehirns. Ausgelesene 1020 Top-Elektroden auf Basis von 24.600 angebrachten Mini-Elektroden insgesamt. Quelle: (3)

 

Unser Gehirn gleicht einer Kombination aus Theater und Konzertsaal, nur dass die Zuschauer mitspielen und die Musikanten verteilt im Zuhörerraum sitzen. Ein Geiger sitzt links, ein anderer rechts, ein Chellospieler vorne, zwei hinten. Die Musikanten fordern einander auf und spielen miteinander. Sie synchronisieren ihre Rhythmen und spielen langsame oder rasche, lustige oder traurige Melodien.

Die Zuhörer und gleichzeitigen Schauspieler zwischen den Musikanten halten die Hände ihrer Nachbarn erzählen einander Geschichten. Sie erzählen einander von Szenen in der sogenannten Außenwelt, die den Schattengestalten von Platons Höhlengleichnis ähneln.

Die Neuronen flüstern bei langsamen Klängen der Musikanten, erzählen von Unbekanntem oder schreien, falls die Trommler von existenziell bedrohenden Nachrichten aus der Außenwelt verkünden.  Echte emotionale verflochtene Intelligenz eben. Das Gehirn gleicht somit einer symbiotischen Zusammenarbeit von Musikanten und Zuschauern in einem Musiktheater.

 

Die Grenzen der aktuellen KI-Programme

Die derzeitigen KI-Programme basieren hauptsächlich auf der Nachbildung von Verbindungen und Funktionen neuronaler Netze. Sie sind jedoch nicht in der Lage, Informationen über oszillierende Schwingungen drahtlos zu übertragen, wie es im menschlichen Gehirn der Fall ist. Aus diesem Grund sind sie bestenfalls eine halbe Künstliche Intelligenz.

Um wahre Künstliche Intelligenz zu erreichen, müssen wir einen fundamental anderen Ansatz verfolgen. Hier könnten Quantencomputer ins Spiel kommen. Schau'n wir mal. :-)

 

Quantencomputer als Mit-Zukunft echter Künstlicher Intelligenz?

Die Entwicklung von Quantencomputern verspricht eine revolutionäre Rechen- und Übertragungsart, die eine weitere Grundlage für echte Künstliche Intelligenz sein könnte. Durch die Ausnutzung der Eigenschaften der Quantenphysik können Quantencomputer Informationen parallel verarbeiten und komplexe Berechnungen durchführen, die für herkömmliche Computer unmöglich sind. Quantencomputer simulieren gleichsam die Musikanten des Gehirns.

Ein Verbund aus klassischen Rechnern und Quantencomputern könnte den Weg zu einer ganzen und nicht nur halben Künstlichen Intelligenz ebnen. 

 

(1) Ein Organoid ist eine wenige Millimeter große, organähnliche Mikrostruktur, die mit Methoden der Zellkultur artifiziell erzeugt wird. Sie zeigen physiologisch relevante und organähnliche Eigenschaften; Näheres ist hier zu finden: Organoid-Zellatlas (2021). Nature Biotechnology, Vol. 39, January 2021, S. 13–17; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7801253/pdf/41587_2020_Article_762.pdf

(2) Fries, P. (2015). Rhythms for cognition: Communication through coherence. Neuron, 88(1), 220-235.

(3) Sharf, T./van der Molen, T./Glasauer, S./ Guzman, E./Buccino A. et al. (2022). Functional neuronal circuitry and oscillatory dynamics in human brain organoids. Nature Communications (2022) 13:4403, S. 2 

27. Juni 2023